Mutmaßliche NPD-Anhänger spazieren für „Schutzzone“ in Alzey
Sie tragen rote Warnwesten im weihnachtlich geschmückten Alzey: Mutmaßliche NPD-Anhänger stilisieren sich zum Hüter von Recht und Ordnung. Wie gefährlich ist das?
Alzey – Wie lange sie da waren, weiß niemand. Wer sie genau waren, ist auch nicht bekannt. Und was wollten sie? Drei Bilder zeigen auf einer Facebook-Seite drei Männer von hinten in ihren roten Warnwesten. Sie laufen durch die weihnachtlich geschmückte Alzeyer Fußgängerzone. Der Beitrag wurde am 27. Dezember veröffentlicht. Man sei dunkele Gassen abgelaufen, heißt es im Text über den Bildern. Werbematerial sei von Bürgern wohlwollend angenommen worden. Auch Lob habe es gegeben. Man bleibe natürlich dran und will weiter „Schutzzonen“ bilden.
Hans-Günther Nagel ist Erster Polizeihauptkommissar und leitet die Alzeyer Polizeiinspektion. Er sagt: „Das ist eine Sache der NPD, die läuft bundesweit.“ Immer wieder gibt es Berichte über sogenannte „Schutzzonen“. Anhänger der rechtsextremistischen Partei laufen dann auf Volksfesten auf. Auch in Worms richteten sie schon solche Zonen ein. Als Anlass für ihre Aktionen nehmen sich die vermeintlichen Ordnungshüter gerne Straftaten von Ausländern heraus – Kandel, der Fall Susanna in Mainz und Wiesbaden. „Es heißt dann: Die Polizei kann euch nicht mehr schützen. Also machen wir das“, sagt Nagel.
Verstoß gegen das Gesetz
Ein klarer Verstoß gegen das Gesetz. Der Hauptkommissar spricht von „Auftritten mit einem gewissen Zweck“. Die Mitglieder der Schutzzonen versuchten, sich staatliche Netzwerke zu eigen zu machen. Hätten die Beamten die Rechtsextremen angetroffen, so hätten die Polizisten die Personalien festgestellt und einen Platzverweis ausgesprochen. „Aber diese Leute tauchen nur kurz auf und wollen von uns natürlich nicht gesehen werden“, sagt Nagel. Er geht von einer einmaligen Aktion aus.
Facebook-Beiträge wie den vom Alzeyer Weihnachtsmarkt beobachtet das Fachkommissariat K 12 für politisch motivierte Kriminalität in Mainz. Es kommt zum Austausch mit den Kollegen vor Ort. Nur anhand der Bilder im Internet unternehmen die Beamten natürlich nichts.
„Besorgniserregende Aktion“
Die Beiträge von rechts bleiben aber auch Gruppen wie der „Antifaschistischen Initiative Alzey“ nicht verborgen. Die Linksjugend „solid'“ wandte sich mit dem Facebook-Beitrag vor einigen Tagen an die Alzeyer Polizei. In einem eigenen Beitrag im Sozialen Netzwerk spricht man von einer „rechten Bürgerwehr mit dem Ziel, Feindbilder zu schüren“. Der Auftritt sei eine „besorgniserregende Aktion“. Im Netz mobilisiert man daher eigene Anhänger, um Informationen über die „Schutzzone“ zu sammeln.
Die Aktion reicht also für ein gehöriges Echo im Internet. Ein womöglich nur wenige Minuten dauernder Spaziergang wird mit einfachsten Mitteln von NPD-Anhängern zum angeblich einzig wirksamen Mittel gegen das „unsichere“ Alzey stilisiert. Gefällt-mir-Klicks tun ihr Übriges und der Facebook-Algorithmus zeigt ohnehin nur noch an, was zur eigenen Meinung passt.
Die „Info-Blase“ im Netz ist auch für Hans-Günther Nagel die Gefahr an der Sache: „Die Bevölkerung stimmt Meinungen zu und traut sich, Sachen zu sagen, die vor 20 Jahren niemand ausgesprochen hätte. So ein Sprachgebrauch ist heute wieder salonfähig. Das ist generell sehr gefährlich.“