27.04.2018: Kandel: Demonstrationen sind kaum zu verbieten

Kandel: Demonstrationen sind kaum zu verbieten

„Wir sehen die Problemlage der Menschen in Kandel und wollen ihnen helfen, damit auch ihre Grundrechte gewahrt werden“, sagt Landrat Fritz Brechtel (CDU). „Die Stadt Kandel mit ihren engen Gassen kann die Demonstrationen kaum mehr ertragen. Die Menschen in Kandel haben aus Angst vor den Demonstranten schon Veranstaltungen abgesagt. Handel und Gewerbe ist betroffen. Soweit dies rechtlich möglich ist, sollten Versammlungen in der Innenstadt verhindert werden – was allerdings äußerst schwierig sein dürfte“, erklärte Brechtel auf Anfrage.

Demos müssen nicht genehmigt werden

„Es muss zunächst klargestellt werden: Die Kreisverwaltung ist nicht Genehmigungsbehörde für Versammlungen. Versammlungen müssen nicht genehmigt, nur angemeldet werden.“ Das sagte der Erste Kreisbeigeordnete und Jurist Christoph Buttweiler (CDU) bereits in der Sitzung des Kreisausschusses am Montag. Er wolle damit klarstellen, dass das von Bürgern oft geforderte Verbot der Demonstrationen in Kandel (oder anderswo) nicht so einfach von der Kreisverwaltung zu verhängen sei. Die Versammlungsfreiheit sei ein Grundrecht, für dessen Ausübung keine Erlaubnis erteilt werden muss, ergänzte Buttweiler gestern auf Nachfrage der RHEINPFALZ.

„Grundrechte der Menschen in Kandel betroffen“

„Die Grundrechte der Menschen in Kandel sind natürlich betroffen“, bestätigten Brechtel und Buttweiler eine entsprechende Zwischenfrage von Günter Logé (Grüne) im Ausschuss. Logé wollte wissen, wie das denn sei, wenn von den Demonstrationen Grundrechte anderer Bürger berührt werden. „Kollidieren verschiedene Grundrechte oder stehen sich unterschiedliche Interessenslagen gegenüber, muss die Versammlungsbehörde abwägen und einen entsprechenden Kompromiss herbeiführen“, heißt es dazu von der Kreisverwaltung.

Befürchtungen für Verbot nicht ausreichend

Bloße Störungen oder befürchtete Übergriffe genügten für behördliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit aber nicht. Das Bundesverfassungsgericht habe hierzu entschieden, dass solche Beeinträchtigungen, von der Allgemeinheit ertragen werden müssen. Brechtel: „Ob es im Einzelfall gelingen kann, zum Beispiel den Marktplatz von Versammlungen freizuhalten, dürfte rechtlich umstritten sein.“ Hierzu brauche die Kreisverwaltung unter anderem mehr konkrete Fakten.

„Mit Betroffenen gesprochen“

„Mit betroffenen Bürgern und Gewerbetreibenden haben wir bereits Gespräche aufgenommen“, ergänzte Buttweiler. Das Versammlungsgesetz alleine sehe keine Genehmigungsnotwendigkeit für Versammlungen unter freiem Himmel vor. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel oder einen Demonstrationszug veranstalten möchte, müsse dies lediglich bei der zuständigen Behörde anmelden. In Rheinland-Pfalz sind das die Kreisverwaltung und Verwaltungen der kreisfreien Städte. In anderen Bundesländern sei diese Aufgabe der Polizei übertragen. Versammlungen in geschlossenen Räumen müssen nicht angemeldet werden.

Ort darf nicht willkürlich bestimmt werden

Versammlungen unter freiem Himmel müssen mindestens 48 Stunden vor Beginn angemeldet werden. Verbot oder Auflage sind nur möglich, wenn klar zu erkennen sei, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch diese Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Gefahrenprognose obliege der Versammlungsbehörde. Dabei bediene sich die Kreisverwaltung des Sachverstandes der Polizei. Buttweiler: „Bloße Vermutungen und Befürchtungen reichen nicht aus.“ Die Leitung des Polizeieinsatzes am Tag der Versammlung hat die Polizei. Auch der Ort der Versammlung dürfe nicht willkürlich bestimmt werden, wie Reiner Hör (Aktive Bürger) es angeregt hatte. Die Anmelder der Demos müssen einverstanden sein. Ansonsten müsse, wenn keine triftigen Gründe vorliegen, der Wunschort der Anmelder genehmigt werden – wie in Kandel zum Beispiel der Marktplatz.

„Lösung die allen Beteiligten gerecht wird“

Um Voraussetzungen für einen möglichst störungsfreien Verlauf zu schaffen, müssen Behörde und Anmeldende in Kooperationsgesprächen nach Lösungen suchen, die allen Beteiligten gerecht werden. Dabei seien die Rechte auf Demonstration und Gegendemonstration mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Ausgleich zu bringen.Die dauernden Demonstrationen in Kandel gehen zurück auf die Tötung einer 15-Jährigen durch ihren Exfreund in einem Drogeriemarkt im Dezember vergangenen Jahres. Da es sich bei dem Täter um einen Geflüchteten aus Afghanistan handelt, nutzen rechte Gruppen den Tod des Mädchens aus, um Propaganda für sich zu machen.

|tom