24.05.2018: Kandel: Stadtrat sieht sich als Teil von „Wir sind Kandel“

Kandel: Stadtrat sieht sich als Teil von „Wir sind Kandel“

Seit Mitte Februar stellen sich Bürger der Bewegung „Wir sind Kandel“ gegen die rechten Demonstrationen in ihrer Stadt. Stadtbürgermeister Günther Tielebörger (SPD) und Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD) sind selbst längst Mitglied. Nun hat auch der Stadtrat nachgezogen und versteht sich laut einem Beschluss „als ein Teil der Bewegung“. Wegen Antifa-Ausschreitungen bei einer Demonstration am 24. März wurde am Dienstagabend um Formulierungen gerungen.

Ende Dezember 2017 wurde in Kandel eine 15-Jährige von ihrem Ex-Freund, einem Flüchtling aus Afghanistan, umgebracht. Seitdem demonstrieren in Kandel regelmäßig die AfD-nahe Gruppierung „Kandel ist überall“ und ein sogenanntes „Frauenbündnis“. Als Protest gegen die Demonstranten aus dem rechten Spektrum hatte sich Mitte Februar das Bürgerbündnis „Wir sind Kandel“ gegründet. Dieses veranstaltet seitdem zu den Demonstrationsterminen eigene Aktionen. Den Anfang machte am 3. März der Aufstieg von weißen Luftballons, es waren aber auch schon „Putzfrauen“ unterwegs.

„Es tut uns gut, wenn wir beitreten“

Weitere Demos seien bis in das nächste Jahr hinein angekündigt, sagte Stadtbürgermeister Tielebörger. Zwar wisse man nicht, ob das alles stattfinde, „aber es tut uns gut, wenn wir beitreten“, warb er in der Ratssitzung. Es sei ein „gutes Ansinnen“, Aktionen müssten natürlich mit der Stadt abgestimmt werden.

Das fanden die Ratsmitglieder grundsätzlich zwar gut, sahen aber Diskussionsbedarf. Schließlich hatten linke Demonstranten am 24. März Böller geworfen, auch wurde der Zugverkehr blockiert. Doch in der Charta des Bürgerbündnisses ist nur von „Rechtsextremen“ die Rede. Denn aus dieser Ecke komme schließlich die Bedrohung, sagte Jutta Wegmann, Ratsmitglied für die Grünen und Mitorganisatorin von „Wir sind Kandel“. In der Charta werde zudem die Gewaltfreiheit betont.

„Einschnitte ins kulturelle Leben so knapp wie möglich halten“

Ratsmitglied Jürgen Hanß (SPD) hätte jedoch gerne in der Charta „extreme Gruppen“ vermerkt, schließlich missbrauchten auch die Linksextremen die Stadt – hier holten die Vertreter des Bündnisses, die die Sitzung im Publikum verfolgten, hörbar tief Luft. Unterstützt wurde er von Dietmar Kolb (SPD), aber auch von Michael Gaudier (CDU). Dieser bezeichnete den Brand in einem Kabelschacht an der Bahnlinie als „terroristischen Anschlag“. Es müsse sicher gestellt sein, dass die Antifa bei den Aktionen keine Banner schwinge.

Man wolle „die Einschnitte ins kulturelle Leben so knapp wie möglich halten“, betonte Tielebörger. Schon jetzt müssten Veranstaltungen wie Hochzeiten in der Stadthalle abgesagt oder verlegt werden. Eine Demo rund um den Christkindelmarkt „kann man sich nicht vorstellen“. Die Charta könne der Rat nicht ändern, aber seine Beschlussvorlage, warb der Bürgermeister um Zustimmung. Eine entsprechend ergänzte Vorlage wurde schließlich einstimmig verabschiedet.

Auf Antrag von Ratsmitglied Volker Blatsch (Linke) wird die Stadt zudem in einer Ausgabe des Amtsblattes die Kosten auflisten, die die Demonstrationen verursachen. Allein die Mitarbeiter des Bauhofs hätten schon 1600 Überstunden geleistet.