Bürgerinitiative „Sulzbach wehrt sich“

Die Bürgerinitiative „Sulzbach wehrt sich“ wurde im Sommer 2017 von Sascha Wagner und Alexander Flätgen ins Leben gerufen. Erklärtes Ziel ist es die geplante Einrichtung einer Moschee in der Alten Post in Sulzbach (Saar) zu verhindern. Wie schon Wagners frühere NPD-Vorfeldorganisationen, bspw. die Saarländer gegen Salafisten (SageSa), gibt sich die Gruppe betont überparteilich. Die Teilnehmer*innen rekrutieren sich jedoch wie gehabt aus dem ehemaligen SageSa-Umfeld, Mitgliedern der NPD sowie Personen aus dem Fußball- und Hooligan-Spektrum.

Erste Kundgebung und „Spaziergang“ am 22. Juli 2017

Der erste öffentliche Auftritt, bei dem Wagner noch federführend ist, findet am 22. Juli 2017 statt.  Die Bürgerinitiative mobilisiert zu einer Demonstration unter dem Motto „Keine Salafisten Moschee in Sulzbach“ . Der Aufruf wird zunächst von den Freien Wählern Sulzbach und dem ehemaligen AfD-Abgeordneten Mirko Welsch geteilt. ((Matthias Zimmermann, »Proteste gegen Moschee in Sulzbach: Muslime wollen sich nicht provozieren lassen«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 22.07.2017 08:00)) Nach Bekanntwerden der offensichtlichen Verbindungen zur extremen Rechten distanzieren sie sich jedoch von der Aktion und rufen ihrerseits zu einer eigenen Kundgebung auf. Diese findet zeitversetzt nur kurz vorher, ebenfalls auf dem Ravanusplatz in Sulzbach statt. Der Versuch sich auch räumlich von Wagners Kundgebung zu separieren, scheitert nach nur wenigen Minuten. Im Anschluss an die Redebeiträge von Welsch und den Freien Wählern beginnt Sascha Wagner direkt daneben mit seiner Kundgebung und vereinnahmt dabei das Publikum der Freien Wähler. Nach weiteren Redebeiträgen, darunter von Edwin Wagensveld (PEGIDA Nederland) und einem Wahlkampfbeitrag von Peter Marx, Landesvorsitzender der NPD Saar, nimmt ein Großteil der rund 100 Anwesenden am anschließenden „Spaziergang“ der Bürgerinitiative teil. ((Matthias Zimmermann, »Niederländischer Pegida-Vertreter beleidigt Islam-Propheten bei Sulzbacher Protest«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 22.07.2017 14:18))

Zweite Kundgebung gegen die Moschee am 12. August 2017

Am 12. August 2017 findet der zweite öffentliche Auftritt von „Sulzbach wehrt sich“ statt, diesem Mal unter der Führung von Alexander Flätgen. Sascha Wagner ist zwar ebenfalls vor Ort, hat sich nach eigenen Angaben aufgrund familiärer und gesundheitlicher Probleme zeitweilig aus der aktiven Organisation zurückgezogen. Die Rednerliste entspricht der vorherigen Kundgebung und wie zuvor wird auch hier das vermeintlich „offene Bürgermikrofon“ nicht in Anspruch genommen. Wegen des regnerischen Wetters verzichtet man kurzentschlossen auf einen „Spaziergang“, so dass die etwa 60 Teilnehmenden bereits nach etwa 40 Minuten den Ravanusplatz wieder verlassen.

Störungen bei Stadtratssitzung vom 19. September 2017

Aufgrund der öffentlichen Debatte zur Genehmigung des Moscheebaus wird die Sulzbacher Stadtratssitzung am 19. September 2017 öffentlich in der Aula abgehalten. An der Sitzung nimmt rund ein Dutzend Personen aus dem Umfeld der NPD, der Bürgerinitiative „Sulzbach wehrt sich“ und des Vereins Ein Prozent e.V. teil. Sie fallen wiederholt durch Provokationen auf. Einem Fragesteller wird im Verlauf der Sitzung das Wort entzogen und das Mikrofon abgestellt. Nachdem Stefan Gerlach den Vortrag von Burhan Yagci (Muslimische Gemeinde Saar) stört, verlässt ein Großteil der Gruppe, darunter auch Alexander und Yvonne Flätgen, wutentbrannt und lautstark den Saal. Gerlach versucht dabei vergeblich kritische Koran-Suren von einem Blatt abzulesen. Der zuvor von Edwin Wagensveld groß angekündigte und europaweit mobilisierte Sturm auf das Sulzbacher Rathaus (Zitat: „Wir laufen das Rathaus platt!“ ) bleibt damit aus. ((»Rundum-Persilschein für Sulzbacher Salafisten«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 20.09.2017 21:50))

Diskussionsveranstaltung un Konzert am 6. April 2018

Für den 6. April 2018 organisiert Alexander Flätgen im Namen der Bürgerinitiative „Sulzbach wehrt sich“ eine politische Diskussionsveranstaltung im Salzbrunnenhaus in Sulzbach (Saar). Als Redner*innen sind Edwin Wagensveld (PEGIDA Nederland) und die österreichische Rechtspopulistin Amy Bianca angekündigt. Als musikalische Begleitung spielt die Gruppe „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ im Duo Balladen.

Flätgen meldet die Veranstaltung am 19. Februar 2018 an bekommt als Sulzbacher Bürger den Veranstaltungsraum bedingungslos vermietet. Nachdem die Redner*innen und die musikalische Begleitung des Abends öffentlich bekannt werden, reagiert die Stadtverwaltung. Bürgermeister Michael Adam (CDU) lässt den Mietvertrag fristlos kündigen und spricht von einer „arglistigen Täuschung„, denn von einem Konzert sei bei der Anmeldung nicht die Rede gewesen. ((»Sulzbach will Auftritt von Hooligan-Band verhindern«, sr.de, Saarländischer Rundfunk, 14.03.2018 15:55))

Flätgen kündigt an, gegen die Entscheidung gerichtlich vorzugehen und die Kündigung anzufechten. Er lässt Klage beim Verwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis einreichen, das sich zunächst nicht zuständig sieht und an das Amtsgericht Saarbrücken verweist. Dagegen reicht Flägens Anwalt, Peter Richter (NPD) Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Saarlouis ein. Das Verwaltungsgericht entscheidet schließlich am 29. März 2018 zugunsten des Klägers. Gegen die Stadt Sulzbach ergeht eine einstweilige Anordnung der Bürgerinitiative das Salzbrunnenhaus für die „politische Vortragsveranstaltung mit musikalischem Rahmenprogramm“ zu überlassen. Zur Auflage macht das Gericht, dass Flätgen der Stadt „die dabei zu spielenden Lieder“ vorzulegen hat. In der Begründung des Urteils sehen die Richter*innen keine Gefahr, dass es zu Ordnungswidrigkeiten durch die Nutzung der Räume kommen könnte.

Die Stadt Sulzbach reicht am 4. April 2018 Beschwerde gegen den Entscheid beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes ein, um die Veranstaltung doch noch zu verhindern. ((Matthias Zimmermann, »Bürgerinitiative siegt gegen Stadt Sulzbach«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 29.03.2018 21:10)) ((Michèle Hartmann, »Die Stadt Sulzbach gibt sich nicht geschlagen«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 04.04.2018 16:03)) Diese wird tags drauf abgelehnt, da die Stadt nicht darlegen konnte, dass es während des Abends „zur Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten kommen werde“. ((»Stadt Sulzbach verliert erneut gegen Bürgerbündnis „Sulzbach wehrt sich“«, sol.de, Saarland Online, 05.04.2018 19:02)) Der Veranstalter haben seinerseits „Vorkehrungen getroffen, bei deren Beachtung der sichere Ablauf gewährleistet werden könne“. ((Matthias Zimmermann, »Stadt Sulzbach unterliegt weiteres Mal«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 05.04.2018 17:44))

Die Veranstaltung wird in erster Linie über ein verstecktes Facebook-Event in diversen rechten Gruppen beworben. Für die offiziell 99 Plätze findet seit Montag 12. März 2018 ein Vorverkauf über Alexander Flätgen selbst statt. Die Karten sind für 10,00 Euro zu bekommen und nach eigenen Angaben bereits zum 23. März 2018 fast vollständig vergriffen. Ein Restkontingent hebt er für die Demonstration tags darauf in Kandel (Pfalz) auf. Laut Aussage von Alexander Flätgen ist die Veranstaltung einen Tag vor Beginn ausverkauft.

Gegen den geplanten Auftritt im Salzbrunnenhaus hat das Sulzbacher Aktionsbündnis „Bunt statt braun“ zwischen 18 und 21 Uhr eine Mahnwache auf dem Ravanusaplatz angekündigt. ((»“Bunt statt braun“ organisiert Mahnwache gegen Neonazi-Konzert in Sulzbach«, sol.de, Saarland Online, 03.04.2018 14:03)) Etwa 150 Menschen beteiligen sich an der Protestveranstaltung, zu der die Hamburger Punk-Band „Arrested Denial“ spielt. Weitere 50 Antifaschist*innen versuchen sich dem Salzbrunnenhaus zu nähern, werden jedoch von der Polizei in der Straße Auf der Schmelz gestoppt und am Weitergehen gehindert. Mit Bannern blockieren Sie die Straße und skandieren „Nazis raus“. Als sich vom Ravanusaplatz weitere Protestierende anschließen, riegelt die Polizei auch den Weg zum Platz ab und sperrt die Straße mit mehren Fahrzeugen. ((Matthias Zimmermann, »Protest in Sulzbach: Polizei hält Gegner auseinander«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 06.04.2018 20:57)) Mehr als eine Stunde verweilen sie dort, bis sich die Gruppe auflöst. Es kommt nach Aussagen der Polizei zu keinen weiteren Vorkommnissen.

Unterdessen warten die Veranstaltungsteilnehmer*innen am Salzbrunnenhaus auf den Beginn, der sich über eine Stunde verzögert. Die aus Bremen anreisende Band „Kategorie C“ steckt im Stau und erreicht das Sulzbach erst gegen 21:45 Uhr, also lange nach dem offiziell geplanten Ende der Veranstaltung. Die etwa 80 Zuhörer*innen – im Vorfeld wurde noch verkündet, die Veranstaltung sei mit 100 Karten ausverkauft – ertragen die Reden von Amy Bianca und Edwin Wagensfeld zumeist regungslos. ((Matthias Zimmermann, »Drei Proteste auf einmal bewegen Sulzbach«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 07.04.2018 13:55)) Aus Kulanz gewährt Bürgermeister Adam den Neonazis eine Verlängerung der Veranstaltung. In den Medien wird von einer „versöhnlichen Geste“ die gesprochen. Das Konzert endet schließlich gegen 23:45 Uhr.

Der Großteil der Teilnehmenden setzt sich aus Neonazis und Akteur*innen des rechten Spektrum im Saarland und der angrenzenden Pfalz zusammen. Neben Aktivist*innen aus dem NPD- und SageSa-Umfeld, etwa Sascha Wagner, Stefan Gerlach, Tanja Teichmann, Mirko Lüer, Helge Morsch und Manfred Brust aber auch Jacqueline Süßdorf und ihr selbsternannter „Bodyguard“ Michael Bütikofer, sind auf namhafte Kader der bundesweiten Szene angereist. Unter ihnen Thorsten Crämer (Pro NRW) und Torsten Frank (Versammlungsleiter von „Kandel ist überall“ ). Die personellen Überschneidungen mit der NPD-Vorfeldorganisation „Saarländer gegen Salafisten“, die 2014 von Sascha Wagner in Leben gerufen wird, zeigt sich spätestens mit dem SageSa-Banner, das an der Bühne befestigt wird. ((Matthias Zimmermann, »Drei Proteste auf einmal bewegen Sulzbach«, saarbruecker-zeitung.de, Saarbrücker Zeitung, 07.04.2018 13:55))